Dienstag, 13. November 2018

Segeln nach Arrecife

La Graciosa/Playa Francesa - Lanzarote/Arrecife 26,8sm, gesamt 2.502,9 sm


Vor einigen Jahren waren wir mit Freunden über den Jahreswechsel auf Lanzarote und haben auch von dort mit einer Fähre die kleine vorgelagerte Insel La Graciosa besucht. Uns zieht es diesmal nicht auf die karge uns etwas bekannte Insel, so viel Neues haben wir in den vergangenen Monaten erlebt und gesehen...  So bleibt das Beiboot zusammengelegt in der Backskiste liegen und der Außenbordmotor am Heckkorb in seiner Halterung hängen. Wir erholen uns von der anstrengenden Überfahrt, schwimmen, lesen und genießen weiterhin die gigantischen Ausblicke auf Lanzarote und La Graciosa,


die Wärme und die schönen Sonnenuntergänge.


Doch die Ruhe trügt!
Der Häwelmann tanzt (seemänisch ausgedrückt: ,,schwoit") am Anker, d.h. er weicht auf Grund des Winddrucks mit dem Bug ca. 45° nach jeder Seite von der Windrichtung ab, regelmäßig nach Steuerbord und dann über die Linie "Wind direkt von vorn" nach Backbord und wieder nach Steuerbord....  Die Kette schickt jedesmal Geräusche an unser Ohr, da sie über eine Lavaplatte unter Wasser gezogen wird. Mich stört dies nachts beim ruhigen Schlaf, und dazu beschäftigt mich noch der Gedanke, wie wir den wahrscheinlich in einer Lavaspalte verklemmten Anker wieder herausbekommen sollen. Denn schon beim Ankermanöver kam die Kette ganz plötzlich so stramm, dass sie das Wasser abschüttelte wie ein nasser Hund. Das war eigentlich schon kein gutes Zeichen. Daher beschließen wir nach zwei Tagen am Mittwoch, 7.11.2018, "umzuankern". Also Anker aufnehmen und einen neuen Ankerplatz mit Sandgrund suchen. Denn den Anker erst an dem Morgen aus der Lavaplatte herauszubekommen, an dem wir dann weitersegeln wollen, erscheint uns nicht angebracht. Daher lieber vorher schon einen anderen Platz suchen, der uns einen unproblematischen Start nach Arrecife in einigen Tagen ermöglicht. Alle schlechten Fantasien über einen verklemmten festsitzenden Anker bewahrheiten sich. Als wir die Kette soweit eingeholt haben, so dass der Häwelmann direkt über dem Anker liegt, sorgt jede Wasserbewegung für ein Rucken, das durch's gesamte Schiff geht. Klar - der Anker sitzt fest! Die sonst übliche Sorgleine am Anker, um ihn gegen die Zugrichtung herausziehen zu können (Tripleine), habe ich leider vergessen. Daher versuche ich, das Schiff unter Motor um 180° um den Anker herum in die entgegengesetzte Zugrichtung zu bringen, um ihn dann auszubrechen. Zur Schonung der Außenhaut ist im Bugbereich alles gut abgefendert, die Ankerkette mit einem Kettenhaken abgefangen und die daran befestigte Festmacherleine auf der Klampe belegt. Bereits bei der halben Drehung allerdings hat der Festmacher soweit nachgegeben, dass Last auf die vorher gelöste und durchhängende Ankerkette kommt und diese den Ankerbeschlag unter lautem Krachen seitlich und nach unten biegt. Der durch die Querkraft tiefer eingetauchte Bug kommt aus dem Wasser. Zum Glück hat der Ruck wenigstens den Anker herausgebrochen, denn wenige Sekunden später stelle ich fest, dass wir auf die hinter uns vor Anker liegende Segelyacht treiben. Also nichts wie an die Pinne gestürmt und mit Maschine rückwärts an dem Segler vorbei - hoffentlch angeln wir nicht dessen Ankerkette mit unserem noch auf ca. 7 Meter Wassertiefe hängenden Anker heraus. Alles geht klar! Dann wird der Anker mit der elektrischen Winsch aufgeholt, was glücklicher Weise trotz des verbogenen Ankerbeschlags funktioniert. Zum Vorschein kommt ein fast unversehrter Anker mit lediglich etwas umgebörtelter Spitze. Nun haben wir ein Sondermodell von Rocna... Er wird in Zukunft dennoch halten.


Wir suchen uns einen neuen Platz im Feld der ca. 30 ankernden Yachten auf 12 Metern Wassertiefe und achten peinlichst genau darauf, dass wir zuverlässig Sandgrund zum Ankern haben. Dies ist mittags bei hoch stehender Sonne an der Wasserfärbung gut zu erkennen. So kann ich die
folgenden zwei Nächte wieder ruhig schlafen. Den Ankerbschlag werden wir bei nächster Gelegenheit richten und ggf. verstärken lassen. Was bricht ist ohnehin zu schwach. Vielleicht ist das Gute am Schlechten, dass wir zukünftig einen viel stabileren Ankerbeschlag haben werden.

Am nächsten Tag gehen wir vom Schiff aus schwimmen und ich möchte das Unterwasserschiff kontollieren. Ein Tauchgang zeigt, dass die Zinkanoden an Saildrive und Faltpropeller noch genügend Material für die kommenden Monate haben und nicht übermäßig abgenutzt sind. Der Unterwasseranstrich hat einen gleichmäßigen leichten Bewuchs. Beim abendlichen Bad im neuen Hafen von Funschal habe ich vor einigen Tagen das Unterwasserschiff auf Armlänge unterhalb der Wasserlinie gereinigt und bei der Gelegenheit mit einer Abwaschbürste den Impeller vom Sumlog von Bewuchs befreit, so dass er wieder funktioniert. Die Reinigung ist relativ einfach, nichts ist richtig festgewachsen. Mit dem sogenannten selbstpolierenden Anitfouling scheint es aber nicht so zu funktionieren, wie die Hersteller es in ihren Prospekten darstellen, jedenfalls nicht bezogen auf Selbstreinigung durch ,,Fahrt durch's Wasser". Auch mehrtägige Segeltouren wie z.B. von Funchal nach La Graciosa sorgen für keinerlei Abrieb und damit Säuberung des Unterwasserschiffes. Zumindest lässt sich der geringe Bewuchs wie beschrieben einfach entfernen. Unterwasser macht der Häwelmann jedenfalls einen guten Eindruck. Sehr beruhigend nach 6 Monaten im Wasser und für die kommenden Momate!

Nach der Überfahrt von Funchal und den Tagen vor Anker sind wir nun 7 Tage nur an Bord gewesen und haben alles, was wir benötigt haben, dabei gehabt.

Für die folgenden vier Wochen ab 09.11.2018 haben wir einen Liegeplatz in der Marina Lanzarote in Arrecife gebucht. Nach so vielen neuen Eindrücken haben wir beide das Gefühl, dass wir eine kleine Pause brauchen - und unser Häwelmann ein wenig Pflege. Schließlich ist eine sehr intensive Zeit vorbei. Die rd. 2.500 sm, die wir in den vergangenen 5 1/2  Monaten zurückgelegt haben, entsprechen zwei durchschnittlichen Saisons auf der Ostsee. Normaler Weise läge der Häwelmann jetzt in der Halle im Winterlager in Wedel bei Hamburg und würde von uns überholt werden.

Seit Tagen ist die Vorhersage des Wetterberichtes für den 09.11.2018 nicht sehr ansprechend: Wind aus NE 5 - 6 Bft. Wellenhöhe 3 Meter mit einer Frequenz von 12 Sekunden - genau von vorn. Alles machbar, aber zumindest für die Ausfahrt zwischen La Graciosa und Lanzarote einschließlich der Rundung der NE- Seite von Lanzarote nicht erholsam. Am Freitag, 09.11.2018, gehen wir um 1015h ankerauf und laufen zunächst unter Motor durch die enge Passage zwischen La Graciosa und Lanzarote. Die Welle ist unproblematisch, der Wind weht mit Stärke 4 Bft aus NE, strahlendem Sonneschein vom blauen Himmel. Bei  dem Kap Punta Fariones können wir unseren Kurs ändern


und sukzessive immer mehr abfallen, so dass wir nur das Vorsegel ausrollen und relaxt relativ dicht an der Küste entlang segeln zum Gucken.


Nach meinen vorbereitenden Recherchen soll die Welle weiter entfernt von der Insel in tieferem Wasser höher sein als dichter unter der Küste. Ich hätte es umgekehrt erwartet: die Wellen laufen aus dem tieferen Wasser auf die flacheren Uferbereiche zu und bauen sich damit auf. Es wird ein absolut entspannter Segeltag nach Arrecife. Wir schauen uns die Insel schon mal vom Wasser aus an, um sie später von Land aus erneut zu entdecken.


Nur Delfine und Wale treffen wir leider erneut nicht an. Um 1515h haben wir die Hafeneinfahrt von Arrecife erreicht. Nun den Motor anstellen, die Genua einrollen und an den gebuchten Liegeplatz fahren. Aber so leicht soll das natürlich nicht sein, denn beim Einrollen der Genua außerhalb des Hafens bildet sich in der Wickelleine eine Schlaufe, die nicht auf die Wickeltrommel passt. Diese blockiert daher nach drei Umdrehungen. Wir schießen mit achterlichem Wind an der Hafeneinfahrt vorbei. Vor uns liegt an der Küste eine Untiefe im Weg. Also den Kurs in Richtung weiter auf See ändern und die Wickelleine der Rollanlage klarieren. Dies funktioniert innerhalb von 15 Minuten mit Hilfe von Werkzeug. Die Untiefentonne bleibt gerade noch voraus, bevor wir auf Gegenkurs in den Hafen motoren. Auf dem Plotter-Track ist dieses Manöver aufgezeichnet:


Die Anmeldung beim Harbouroffice über Seefunk ist problemlos (abgesehen von einem  DSC-Alarm eines unbekannten Absenders, der dazwischen jault), so dass wir um 1545h an unserem Liegeplatz festmachen: weit innen an einem stabilen Fingersteg, gut vor Wind geschützt, kurze Wege zu den herrlichen Regen-Duschen etc. - purer Luxus für nur €13,60 pro Tag!!!


Sind wir jetzt im Winterlager?

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