Mittwoch, 7. November 2018

Auf zu den Kanaren

Funchal/Madeira - La Graciosa/Lanzarote 276,0 sm, gesamt 2.476,1 sm




















Nach sechs Wochen auf den Inseln des Madeira-Archipels wird es Zeit, Neues zu entdecken. Die Kanaren sollen es sein. Dieses sind auf der kürzesten Route von Funchal nach La Graciosa  rd. 280 sm und damit ca. 2 1/2 Tage Segeln. Unsere Wetterrecherchen lassen für die Zeit ab dem 03.11.2018 ein gutes Wetterfenster erkennen. Wir befragen ergänzend unseren Wetterrouter, der dies bestätigt und für die kommenden sechs Tage gute Bedingungen prophezeit: Wind NW-NNE, Stärken zwischen 4 Bft. und 6 Bft. - Tendenz abnehmend, Welle 2,5 Meter mit Frequenz 8 Sekunden (d.h. relativ kurz und eher steil) mit abflachender Tendenz.

03.11.2018, Sonnabend
Wir laufen um 1135h aus Funchal aus. Im Schutz der Hafenmauern werden alle Leinen und Fender verstaut und das Großsegel im 1. Reff gesetzt. Mit Kurs rw 140° und Motorunterstützung entfernen wir uns von der Insel noch ganz friedlich im Windschatten.


Der Wind kommt bedingt durch die Inselabdeckung und -ablenkung schwach aus W, die Wellen bereits aus E, also von Lee .... Dagegen hilft nur weitere Motorunterstützung, bis die Wind- und Wellenverhältnisse klar sind.


Diese lassen nicht lange auf sich warten. Am Horizont sehen wir bereits eine Windkante mit Schaumköpfen auf dem Wasser. Nach gut einer Stunde lassen wir den Windschatten der Insel Madeira hinter uns. Die angekündigte Windstärke 6 erreicht uns in sekundenschnelle. Zum Glück ist die zwischenzeitlich ausgerollte Genua bereits wieder eingerollt. Das einfach gereffte Großsegel ist mehr als genug Segelfläche.


Beim ersten Gedanken zu reffen sollte man dies bekanntlich auch tun. Wir warten mit dem Einbinden des 2. Reffs, bis wir um 1345h etwas Schutz von den Islas Desertas,  Madeiras vorgelagerten unbewohnten Inseln, bekommen.


Vorsorglich lege ich mich am Nachmittag auf die Salonkoje und Barbara übernimmt die Wache.
Die Sonne ist inzwischen von einer dicken Wolkendecke verhüllt. Von den um uns herum heruntergehenden Schauern bleiben wir verschont. Die Windstärke hat sich auf 5 Bft - 6 Bft eingependelt und bleibt so bis zum Dunkelwerden um 1900h. Trotz einiger Vorbereitungen geht es Barbara nicht so gut, so dass sie sich nach mir in die Koje legt und dort bis zum nächsten Tag ca. 0900h bleibt.

Die Nacht ist lang (Sonnenaufgang 0700h) und dunkel (dicke Wolken, fast Neumond). Wir stellen alle verfügbare Technik an, damit andere Schiffsbesatzungen uns sehen können und wir andere Schiffe sehen:
> Auf der Mastspitze leuchtet die Dreifarbenlaterne (grün-rot-weiß, für Steuerbord, Backbord, Heck - diese Navigationsbeleuchtung dürfen Segler zeigen, um sich als solche erkennbar zu machen).
> Der elektronische Radarreflektor schickt verstärkt die empfangenen Radarsignale an den Sender zurück und macht uns damit auf deren Bildschirm sichtbar (Reichweite ca. 20 sm).
> AIS Sender und Empfänger sind eingeschaltet.

Die generelle Windrichtung ist  NE, jedoch mit Drehungen, so dass der Windwinkel um 60° pendelt, die Stärke variiert zwischen 13kn und 26kn. Wie soll man da vernünftig segeln??? Das Großsegel bleibt im 2. Reff, nach Bedarf fiere ich es oder hole es dichter und rolle die Genua aus oder ein. Selbst das ständige Ein- und Ausrollen des Vorsegels wird bei den insgesamt sehr unterschiedlichen Windbedingungen zu mühsam. Nur unter Großsegel geht es mal schneller und mal langsamer durch die Nacht.


Die Wellen werfen den Häwelmann unkontrolliert hin und her. Daher finde ich keine entspannte Position im Cockpit. Ich gönne mir kleine "Nickerchen" von ca. 20 Minuten Dauer. Wenigsens ist eine angenehme Temperatur, so dass eine lange wasserdichte Hose, Fliesjacke und dünne wasserdichte Jacke ausreichen. Selbstverständlich tragen wir seit dem Auslaufen aus Funchal dazu selbstaufblasende  Schwimwesten und sind mit dem Lifebelt angeleint.


Kein Schiffsverkehr.

04.11.2018, Sonntag
Es geht weiter wie für den vorherigen Tag beschrieben: Schaukelig mit drehenden in der Stärke sehr unterschiedlichen Winden. Weder bei Barbara noch bei mir stellt sich Hunger gechweige denn Appetit ein. Pflichtgemäß essen wir Kleinigkeiten wie vorgekochten Milchreis, Omelette mit Brot oder ein paar Kekse. Barbara kommt relativ fit aus der Koje und kann mich ablösen. Ich bin genau das Gegenteil: Müde, verspannt mit Rücken- und Kopfschmerzen und freue mich auf die Koje - nur noch entspannt liegen und vielleicht ein bisschen schlafen ..... bis zum nächsten Highlight: um 1200h feststellen, wie das Etmal ist, also die in den letzten 24 Stunden zurückgelegten Seemeilen.
Der Plotter zeigt 138 sm, d.h. ein Schnitt von rd. 5,8 kn.

Danach kann ich weitere zwei Stunden ausruhen. Dann nimmt die Windstärke soweit ab, dass wir zusätzlich zum gesetzten Großsegel den Motor mitlaufen lassen. Dieses "Spielchen" geht nun für einige Stunden weiter: Wind wird stärker - also Motor aus, Vorsegel ausrollen und segeln. Wind nimmt ab - also Vorsegel einrollen und Motor anstellen, das gereffte Groß bleibt stehen.


Gegen Abend setzt sich gleichmäßigerer Wind durch. Wir segeln in unsere zweite Nacht hinein. Sie unterscheidet sich von der ersten nur dadurch, dass nun mehr Schiffsverkehr ist. Wir sind eben näher an den Kanaren und da wird es lebhafter. Fast alle großen Frachter und Tanker halten genügend Abstand bzw. queren unseren Kurs entsprechend vor oder hinter uns. Bis auf einen Tanker. Dieser ändert seinen Kurs nicht. Die AIS-Daten signalisieren eindeutig, dass er mit uns auf Kollisionskurs ist als motorgetriebenes Fahrzeug, auch wenn es 190 Meter lang ist, ausweichpflichtig gegenüber dem kleinen Häwelmann, da er ein Segler ist. Ich beobachte laufend die Entwicklung auf dem Plotter. Sehr rechtzeitig wende ich mitten auf dem großen Atlantik und gehe auf Gegenkurs, um einem ausweichpflichtigen Tanker Platz zu machen. Dessen Besatzung auf der Brücke scheint nun auch bemerkt zu haben, dass es zu eng wird und ändert den Kurs - in Richtung meines Ausweichmanövers!!!!!! Also schnell wieder wenden und nichts wie weg, denn wenn ein großer Tanker erstmal eine Kursänderung begonnen hat, ist diese nicht mehr so schnell zu verändern. Wir kommen mit einigen hundert Metern Abstand aneinander vorbei.

05.11.2018, Montag
Um 0330h löst Barbara mich ab und übernimmt den Rest der Nachtwache. Wir haben seit längerem keine Delfine mehr gesehen. Auf Barbaras Nachtwache sind sie wieder aktiv und ziehen im fluoreszierenden Wasser ihre Lichtbahnen. Sie jagen Fische, und davon flüchtet einer zu uns an Deck. Das hat ihm leider auch nicht das Leben gerettet.


Nur unterbrochen durch ein Segelmanöver kann ich mich bis ca 1000h erholen. Diese lange Zeit hat mir gut getan. Rücken und Kopf sind wieder ok. Wir sind fit für La Graciosa.

Wegen des nun schwachen Windes läuft für die restliche Zeit bis zur Ankunft auf La Graciosa um 1530h der Motor mit. Wir haben eine Ankergenehmigung für die Bucht Playa Francesca und einen Liegeplatz im Hafen von La Graciosa beantragt. Im Hafen will der ziemlich arrogante Hafenmeister (Typ ,,Cop") davon nichts wissen und verweist uns des Hafens, der maximal zur Hälfte belegt ist. Festgemachte Leinen um in Ruhe die Situation zu klären, werden von ihm einfach von der Klampe am Steg gelöst, und er fordert uns auf, einen Mindestabstand von drei Metern vom Steg zu halten....


Alle freien Plätze seinen reserviert. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, woher in den nächsten Stunden ca. 50 Schiffe kommen sollen und die freien Liegeplätze einnehmen. Unsere Erfahrung entspricht damit genau dem, was wir bereits vorher mehrfach über diesen Hafen gehört haben. So fällt um 1610h der Anker in der Bucht, die mit über 23 Schiffen bereits gut belegt ist. (Im Laufe des nächsten Tages kommen noch zehn weitere Yachten in die Ankerbucht.)


Wir sind etwas angestrengt aber froh, vor einer so beeindruckenden Kulisse angekommen zu sein.

La Graciosa
Lanzarote
Wir waren 53 Stunden unterwegs (38 Stunden nur gesegelt, 15 Stunden mit Motorunterstützung).

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