Donnerstag, 4. April 2019

Kanaren adé

Santa Cruz de Tenerife – Funchal, 273 sm,
gesamt 3.102,6 sm


Schon seit Wochen schauen wir auf die Wetterentwicklung, bei welchen Wind- und Wellenbedingungen wir über das Madeira-Archipel an die portugiesische Küste segeln könnten.


Die vergangenen sechs Wochen hat uns kein Wetterfenster aufgezeigt, das uns die erste Etappe nach Funchal ermöglichen würde. Immer ist starker NE-Wind mit „Zuschlag“ in der Acceleration-Zone. Wir haben zum Glück genügend Zeit und es daher nicht eilig. Entsprechend den Routenbeschreibungen in Fachbüchern ist die beste Zeit für einen Törn von den Kanaren nach Portugal in den Monaten April und Mai. Ein weiterer Grund, keine Eile zu haben. Wir sind zusammen mit der Blue Sun und Marretje und genießen Santa Cruz und Umgebung. 


Anfang der vergangenen Woche zeichnet sich ab, dass eine Schwachwindphase von 4 Tagen kommen wird, in der der wenige Wind aus der richtigen Richtung kommt und die Welle lang und nicht so hoch ist. Wir planen mit drei Schiffen (Blue Sun, Marretje, Häwelmann) die gemeinsame Überfahrt. Für uns heißt dies, den eingebauten 100 Liter Dieseltank voll zu füllen ebenso wie die eigenen Reservekanister mit 35 Litern. Zusätzlich leihen wir uns von der Blue Sun 30 Liter Diesel in Kanistern. So ist eine Mischung aus diversen verschiedenen Kanistern entstanden.


Mit 165 Litern Diesel versorgt sollten wir die Strecke unter Motor zurücklegen können. Bei einem Verbrauch von 2,5 Litern/Stunde bei ca. 1.800 rpm und damit 5 kn Fahrt hätten wir eine Reichweite von 330 sm. Natürlich werden auch Lebensmittel und Wasser gebunkert, so dass alles für eine ruhige Überfahrt vorbereitet ist.


Wir legen am Mittwoch, 27.03.2019, um 0930h ab und nach dem üblichen Verstauritual von Leinen und Fendern setzten wir das einfach gereffte Großsegel. Dies soll uns nicht unbedingt Vortrieb bringen, sondern den Häwelmann in der Dünung stabilisieren.


Für die folgenden rund vier Stunden beschäftigen wir uns damit, abwechselnd zu segeln bzw. zu motoren. Wir genießen das Segeln entlang der Küste Teneriffas mit gigantischen Ausblicken.


Um 1400h haben wir uns von Teneriffa soweit entfernt, dass durch die hohe Insel oder Kaps kein Wind mehr beschleunigt wird. Es ist Flaute. 


Ab jetzt läuft der Motor ununterbrochen und Sir Henry macht seinen Dienst. Um 1920h geht die Sonne unter. 


Wir tuckern weiter durch die Dunkelheit einer sternenklaren ruhigen Nacht. Mein (Ove) Schlaf endet um 2300h und ich übernehme die Wache bis zum nächsten Morgen. Auf dem AIS sind außer Blue Sun, Marretje und einer holländischen Yacht keine weiteren Schiffe zu sehen. Der elektronische Radarreflektor zeigt keinerlei Reflektionstätigkeit an, so dass davon ausgegangen werden kann, dass keine weiteren Schiffe in der Umgebung sind. Daher kann ich im 30-Minuten-Rhythmus im Cockpit schlafen, und mich dann nach einem Kontrollblick erneut hinlegen.


Am Donnerstag, 28.03.2019, notieren wir um 1000h ein Etmal von 124 sm. Wir tanken aus den Kanistern 40 l Diesel nach. Die kleinen 5 l-Kanister lassen sich gut handhaben. 


Für die größeren schwereren Kanister nehmen wir die sog. „Schüttelpumpe“. Nach dem Ansaugen der Flüssigkeit durch Schütteln einer abdichtenden Glaskugel in einem Metallkörper steigt die Flüssigkeit auf und fließt aufgrund des Prinzips der kommunizierenden Röhren dann von selbst in den Tank, in dessen Einfüllstutzen das Ende des Pumpenschlauches unterhalb des Kanisterbodens platziert ist.


Im Laufe des Tages bemerken wir, dass unsere Fahrt über Grund, abzulesen auf dem Plotter, zeitweise nur 3,5 kn beträgt. Über 4,8 kn kommen wir nicht mehr hinaus. Wir können uns dies nur mit stärkerer Gegenströmung erklären. Vor uns liegen noch rd. 115 sm. Mit reduzierter Geschwindigkeit über Grund von angenommenen 4 kn würden wir dafür 29 Stunden benötigen. Nach einem Blick auf die Tankanzeige und die leeren Kanister ist klar: Mit unserem Dieselvorrat würden wir Funchal nicht erreichen. Der Tank wäre vorher leer und wir trieben solange in der Flaute auf dem Atlantik, bis Wind käme und wir nach Funchal segeln könnten. 


Nach einer Lagebesprechung funken wir um 1810h die vor uns außer Sichtweite motorende Blue Sun an, ob sie uns mit Diesel aushelfen könnte. Dank der großen Hilfsbereitschaft von Kalle und Doris geht Blue Sun auf Gegenkurs. Wir fahren nun aufeinander zu und vereinbaren ein Treffen auf dem Atlantik zur Dieselübergabe. Über AIS-Signale sehen wir uns auf dem Plotterbildschirm (rotes Schiff). 


Wir können ein 30 l Fass und 2x5 l bekommen. Das sollte reichen. Um 1940h im letzten Dämmerlicht treffen sich Blue Sun und Häwelmann zur Dieselübergabe. 



Barbara mobilisiert alle Kraftreserven, um auch das schwere 30 l Fass zu übernehmen.



Die Blue Sun liegt dabei ohne Fahrt im Wasser und ich fahre ganz langsam und so dicht wie möglich mit geringer Fahrt an ihr vorbei. Diese Manöver laufen -fast- problemlos ab. Beim Abbremsen mit dem Rückwärtsgang fängt der Häwelmann an stark zu vibrieren. 
Was ist das??? 
Wir können nicht mehr bremsen!!! 
Wir können nicht mehr rückwärts fahren, um im engen Hafen anzulegen!!! 
Diese Gedanken schießen mir kurz durch den Kopf.
Geschafft – das Fass ist bei uns an Bord und wird umgehend mit Leinen an der Reelingstütze festgebunden. Nach 20 Minuten geht die Blue Sun wieder auf Kurs Funchal und verschwindet in der Dunkelheit. 


Kurze Verschnaufpause und überlegen, was mit dem Rückwärtsgang defekt sein könnte. Mit fällt ein, dass ich irgendwann im Laufe des Tages einige wenige kleine Vibrationen im Schiff wahrgenommen habe. Ich habe mich umgesehen aber auf dem Wasser nichts Ungewöhnliches gesehen, keine überfahrene Schildköte, keinen kleinen Wal, nichts. Dennoch müssen unsere verlangsamte Fahrt und die Vibration bei Rückwärtsfahrt einen Grund und einen Zusammenhang haben. Ich erinnere mich an vergleichbare Symptome, als ich vor vielen Jahren auf der Ostsee bei Bornholm eine Plastikplane im Propeller hatte. Vielleicht ist das die Erklärung. Es hat sich etwas im Propeller verfangen, mitten auf dem Atlantik, und der zwischen Saildrive und Propeller eingebaute Tauwerkschneider hat es durchtrennt? Nur so kann es sein. Gewissheit haben wir nicht. Wir fahren weiter unter Motor in die Nacht, denn vorwärts funktioniert alles, nur etwas langsamer. 

Barbara übernimmt die Wache und ich darf etwas schlafen. Sie lässt sich alle 20 Minuten vom Küchenwecker wecken, um sich nach einem Kontrollblick wieder im Cockpit schlafen zu legen. 

Gegen 0100h am Freitag, 29.03.2019, weckt sie mich und ich übernehme die Wache. Schon beim Auslaufen in Santa Cruz hatte ich einen etwas „dicken Kopf“. Dies hat sich zwischenzeitlich zu echten Kopfschmerzen entwickelt, so dass ich mir den leckeren Reis- Gemüseeintopf vom Abendessen mehrfach durch den Kopf gehen lasse. Anschließend bin ich leider nicht mehr einsetzbar. So übernimmt Barbara ab 0300h wieder die Wache und ich verziehe mich in die Koje. Vielen Dank, Barbara, dass du uns/mich die folgenden 13 Stunden mit Unterstützung von Sir Henry über das Meer geskippert hast. Ich war außer für einen halbstündigen Segelversuch morgens und für das Nachtanken „außer Betrieb“. 


Kurz vor Funchal geht es mir wieder besser.


Um 1700h machen wir in der Marina Funchal längsseits an einem Katamaran fest. Da ein Abbremsen nicht möglich ist, gelingt der Anleger erst im zweiten Anlauf. Aufgestoppt wird mit der Achterleine. Auf dem Betriebsstundenzähler des Motors stehen weitere 48 Stunden, als ich auf den Aus-Knopf drücke. Nach einem Wiedersehens-Hallo mit Blue Sun und Marretje sowie dem Einchecken im Marina-Büro bleibt nur noch Zeit für eine erfrischende Dusche. Alles Weitere wird auf den nächsten Tag verschoben.

Am Samstag, 30.03.2019, dürfen wir morgens auf einen Liegeplatz am Schwimmschlengel mit Fingersteg an jeder Seite verholen. So sind wir autark und müssen nicht über andere Schiffe klettern, um an Land zu kommen. 


Barbara geht mit Regina und Bernd von Marretje zum Markt. Ich übernehme bei anfangs sonnigem Wetter das  Schiff zu entsalzen, Segel aufzutuchen und weiteres zu klarieren, was auf einer mehrtägigen Seereise liegen geblieben ist. Selbstverständlich wird auch die Diesel-Anleihe zurückgegeben.


Abends gehen wir mit Regina und Bernd sowie Kalle und Doris in Fuchal indisch Essen. Das zweitbeste Lokal in Funchal in dieser Kategorie macht seinem Ruf alle Ehre!!! 


Wir feiern unsere gelungene, wenn auch ungewöhnliche Überfahrt hierher. So lange ist noch keiner von uns ununterbrochen unter Motor gefahren.


Es lässt mir keine Ruhe, was mit dem Propeller sein könnte. Daher beschließe ich, am Sonntag, 31.03.2019, den Taucheranzug ‘rauszuholen und nachzuschauen, was unter Wasser los ist. 




Recht schnell ist zu sehen, dass sich Teile von einem Fischernetz um den Propeller gewickelt haben und hinterhergeschleppt worden sind. Dieses hat dafür gesorgt, dass sich die Blätter des Faltpropellers nicht mehr vollständig öffnen konnten. Mit der Bremswirkung durch das Hinterherziehen von Netzresten hat dies für die Fahrtverminderung gesorgt. Der Tauwerkschneider hat das Netz durchtrennt, so dass sich der Propeller wenigstens weiter drehen konnte.

Netzreste im Prop
Ich kann nicht ausreichend lange die Luft anhalten, um das Netz mit einem Messer loszuschneiden, und beende somit meinen Tauchgang.


Ein junges belgisches Seglerpaar auf dem Schiff neben uns erkundigt sich nach meinen Aktivitäten. Nach Barbaras Erklärungen bietet Simon an, in den nächsten Tagen für uns zu tauchen und die Sache in Ordnung zu bringen. Er hat als professioneller Taucher gearbeitet und solche Missgeschicke schon öfters beseitigt. Wieder einmal erleben wir die große Hilfsbereitschaft innerhalb der Segler-Community. Jeder hilft, soweit es seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten entspricht. Auch wenn wir in den letzten Tagen mehr Hilfe empfangen als gegeben haben, ist dies situationsabhängig natürlich auch umgekehrt. Wir nehmen dies gern an und verabreden uns für einen Tauchgang einige Tage später. Nach einer „Aufwärmdusche“ verbringen wir den Nachmittag mit einem Spaziergang durch die Altstadt Funchals. Da wir ohne Auto ja keine Großeinkäufe machen können, endet fast jeder Landausflug beim Supermarkt, bevor wir an Bord zurückkehren. So auch heute.


Am Montag, 01.04.2019, und Dienstag, 02.04.2019, haben wir zusammen mit Doris und Kalle von der Blue Sun mit einem Mietwagen Ausflüge auf der Insel unternommen. Auf einer Hochebene angekommen beginnt unsere Wanderung. 


Weiter geht es durch Regenwald, 


entlang an Levadas


zu einem Wasserfall mit dem Namen Risco. 


Am nächsten Tag hängen die Wolken sehr tief, und es ziehen immer wieder Schauer durch. Da wir auch für diesen Tag das Auto gemietet haben geht es trotzdem Richtung Westen, Noedwesten und Richtung Nortdosten.

Am Mittwoch, 03.04.2019, regnet es unablässig. Das kennen wir gar nicht mehr. Regen auf den Kanaren ist die absolute Ausnahme gewesen. So nutzen wir den Tag an Bord für Notwendiges. Nachmittags klopft Simon von nebenan und bietet den Tauchgang an. Wir nehmen dankend an. Nach 30 Minuten ist der Prop vom Netz befreit. Ein Probelauf des Motors im Vorwärts- und im Rückwärtsgang bestätigen, dass alles frei ist.


Bleibt nur zu hoffen, dass keine Netzreste die Simmerringe beschädigen haben, die die Propellerwelle zum Getriebe hin abdichten. Morgen prüfen wir dies.

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